WILD ABHÄNGEN – die richtige Fleischreifung und Fleischkühlung von Wild

Von Karl Rauh

Liebe Jägerkollegen und –kolleginnen der Wolfsteiner Jägerschaft!

Mit meinem Beitrag möchte ich keinesfalls  mich als Naseweis  darstellen und euch erfahrene „Hasen“ eines Besseren belehren. Auch in der Jägerei sollte man mit dem Wissen nicht stehen bleiben („das haben wir schon immer so gemacht und das ist gut so….“), sondern sich auch weiterentwickeln.

Eine Begleiterscheinung  unserer aktuellen Coronazeit  ist der sehr  mäßige Verkauf von Wildbret  an Gaststätten und   der Verkauf an Wildhändler zu Dumpingpreisen, die oft nicht einmal den Zeitaufwand des Bejagens decken.

Gespräche mit KollegenInnen belegen, dass  der Verkauf von Wild in der Decke bzw. Schwarte selbst im privaten Bereich  Schwierigkeiten bereitet. 

Verfolgt man Beiträge in Fachzeitschriften zur Vermarktung vom Wildbret,  so verkauft derjenige Jäger aktuell und  zukünftig sein Wildbret unproblematisch – unabhängig von der Pandemie -, wenn dies bereits küchenfertig vorbereitet ist, also  portioniert und einvakuumiert oder als Wurst- oder Leberkäsware und der Weg zum Verkäufer, dem Jäger, bekannt ist.  

Wildbret, das gute Ökofleisch

Wie wir alle wissen,  und das kann als Argumentationshilfe  beim Verkauf dienen,

  • hat z.B.  das Wild insbesondere das Reh einen  deutlich niedrigeren Fett- und höheren Eiweißgehalt,
  • ist reich an ungesättigten Fettsäuren (Omega 3), Vitaminen und Spurenelementen und ist zusätzlich noch cholesterinfrei,
  • ist frei von Antibiotika und Medikamenten.
  • Zudem hat es eine geringere Bindegewebsstruktur, was  für die besondere Zartheit des Fleisches verantwortlich ist. Voraussetzung ist jedoch, dass das Fleisch nach dem Aufbrechen reifen durfte.

Mit freundlicher Genehmigung der Fa. LANDIG, einem der größten Händler für Wildkühl- und – zerwirkeinrichtungen  Deutschlands, möchte ich euch  komprimiert deren neueste Forschungsergebnisse  zur Fleischreifung mitteilen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Jäger über eine regulierbare Kühleinrichtung verfügt.

Der Reifungsprozess ist ein chemischer Vorgang im Fleisch!

  • Der Beginn der Totenstarre, die meist  drei bis vier  Stunden  nach der Tötung eintritt,  ist dabei ein wichtiger Zeitpunkt für die Fleischreifung.
  • Hier wird das sogen. Reservekohlenhydrat (das verfügbare Glykogen) in Milchsäure umgewandelt und verbleibt in der Muskulatur.
  • Die Säuerung verstärkt die Entwicklung von Enzymen (sogen. Beschleunigern), welche das Kollagen des Bindegewebes zerstören.
  • Darf das Fleisch nun eine gewisse Zeit reifen, so werden die Muskelfasern wieder weich und das Wildbret  zart.
  • Stark beanspruchte Muskulatur wie beispielsweise  bei   einer  Hetzjagd oder einer langen Nachsuche (verbunden mit Stress für das Wild) verkürzt den Eintritt der Totenstarre wesentlich.
  • Die Wildbretqualität hängt unmittelbar mit der Situation des Tieres vor dem Töten zusammen. Bei einer Hetze oder auch bei der Brunft wird in der Muskulatur Glykogen (der Energielieferant für hohe körperliche Leistungen)  verbraucht. Diese fehlt später für die Bildung der Milchsäure, weshalb die Fleischreifung später unvollständig abläuft und das Fleisch dadurch  trocken und zäh wird.
  • Für eine optimale Fleischqualität ist also bei einem ungestressten Wild ein korrekter Schuss bzw. eine kurze Flucht mit einem sofortigen Aufbrechen  nach dem Erlegen notwendig.  Mediziner belegen uns, dass bereits 20 Minuten nach dem Eintritt des Todes beim Wild  Bakterienstämme aus dem Magenbereich ausdringen und  in den Fleischbereich  übergehen.
  • Aus hygienischen Gründen setzt sich immer mehr das Aufbrechen im Hängen durch;  ein Austrocknen der Keulen wird durch das Ringeln verhindert. Ferner kann dadurch das Eindringen von Bakterien über Wundöffnungen (Aus- und Einschuss)  in den Wildkörper vermieden werden.

Wild richtig abhängen

  • Das Reh bzw. das Wildschwein  sollte mittels Haken an den Hinterläufen aufgehängt werden. Damit das Wild frei hängen kann, können auch die Unterschenkel der Hinterläufe entfernt werden.  So werden die edlen Stücke, wie die Keule oder der Rücken, vor Verunreinigungen, Flüssigkeiten und vor Austrocknung geschützt.
  • Die Kühleinrichtung sollte stets sauber gehalten,  ab und an auch desinfiziert werden –  dies insbesondere,  wenn diese wechselweise mit Wild in der Decke/Schwarte und ohne genutzt wird.  Eine gleichzeitige Nutzung von Wild in der Decke/Schwarte und Wild aus der Decke geschlagen, schließen sich absolut aus!
  • Experten raten auch, Wildbret  nie tropfnass z.B. nach dem Abwaschen, wenn der Wildschwein vorher verunreinigt war oder nach starkem Regen, ins die Kühleinrichtung hängen.

Wild richtig kühlen

  • Eine stickige Reifung (Verhitzen) ist in jedem Fall zu vermeiden. Diese entsteht, wenn der Wildkörper nach dem Erlegen nicht zeitnah auskühlen kann, weil er im Kofferraum oder auf dem Hänger von  anderen Wildkörpern  längere Zeit bedeckt  liegt. Der entstehende Wärmestau  sorgt dafür, dass der pH-Wert des Wildbrets stark absinkt, das Fleisch einen unangenehmen Geruch entwickelt und ungenießbar wird, siehe Thema Houtgout!
  • Um eine optimale Fleischreifung zu garantieren, sollte das Haarwild nach dem Aufbrechen nicht sofort schnell und stark heruntergekühlt,  sondern langsam auf  unter 7 Grad Fleischinnentemperatur  gebracht werden.

LANDIG empfiehlt wie folgt vorzugehen:

  1. Nach dem Einhängen des Wildkörpers  in die Kühlanlage wird die Temperatur in der Kühleinrichtung  langsam  für rund 24 Stunden auf unter 7 Grad gestellt und gleichzeitig das Umwälzsystem aktiviert.

      In dieser Phase kühlt der Wildkörper langsam aus,  es tritt die

      Totenstarre ein und die erste Phase  der Fleischreifung wird     

      durchlaufen.

      Dieses Vorgehen verhindert eine „Kälteverkürzung“ der Muskulatur,

      welche das Fleisch zäh machen würde.  Deswegen sollte auch bei

      Frost erlegtes Wild nicht allzu lange im Freien (z.B.  bei der Feier in

      der Jagdhütte nach Waidmannsheil)  verweilen.

  • Ab der Stunde 24 bis 48 sollte nun die Kühleinrichtung  auf 1 Grad ohne Luftumwälzung eingestellt werden – es erfolgt die zweite Phase der Reifung. In der Zeit löst sich auch die Totenstarre. Hier erreicht nun der Wildkörper eine Kerntemperatur von unter 7 Grad C.
  • Dieser Reifeprozess bei 1 Grad C  kann je nach eigenen Vorlieben  und Beanspruchung der Kühleinrichtung  durch anderes Wild inklusive der Vorreifung 7 bis 10 Tage   dauern, das Fleisch wird dadurch zarter und gewinnt an Aroma. Nach wie  vor in der Decke belassen, trocknet es auch nicht aus.

In der kommerziellen Fleischherstellung werden heute auch bei Rindern durch das sogenannte „Wet Aging“, also durch eine wochen- ja monatelange Reifung  bei einer bestimmten Gradzahl im Reifungsschrank  Spitzenpreise  erzielt.

  • Um beim Wild zu bleiben:  Es wird nun nach dieser zweiten Reifungsphase aus der Decke geschlagen, küchenfertig zerwirkt,  vakuumverpackt und bei 1 Grad C z.B. im Wildkühlschrank  weiterhin bis zu 10 Tagen gelagert, bevor es eingefroren oder verarbeitet wird.

      Im Vakuum luftdicht verpackt, hält sich das Wild unter optimalen

     Bedingungen bis zu drei Jahre im Eisschrank.

Achtung:  Die  gesetzlichen Auflagen  zum portionierten Verkauf bzw. das Vorhandensein einer zertifizierten Wildkammer und die gewerbliche Anmeldung beachten!!! Siehe dazu gesonderten Artikel.

  • Spitzenköche raten, bevor das eingefrorene Wild in der Küche verwertet wird, sollte man  es im Kühlschrank im  geschlossenen Vakuumbeutel ein bis zwei Tage auftauen lassen. Dadurch wird der Wasserverlust minimiert und die Fleischqualität bleibt erhalten. Einen Tag vor der Zubereitung wird der  Beutel geöffnet, um das Fleisch „atmen“ zu lassen.

Nun geht es an die Zubereitung der Speisen –  guten Appetit!

  Houtgout

Bei vielen  älteren Menschen ist  noch der „besondere“ Wildgeschmack, der sogenannte Houtgout,   im Hinterkopf und hat mit den heutigen Hygienevorschriften nichts zu tun.  Dieser kam durch die fehelenden Kühleinrichtungen zustande, es war ein Zeichen beginnender Fäulnis, welche durch Einlegen in Milch oder Rotwein „vertuscht“ wurde. Diese Erfahrung hält selbst heute noch Menschen ab, Wildfleisch zu kaufen.

Hinweis:

Wildrezepte

Es gibt heute mannigfaltige Hinweise für Wildrezepte im Internet wie auch in Buchform.

Eine sehr anschauliche  und „spritzige“ Anleitung  für die Zubereitung von Speisen aus Wildfleisch findet ihr im  Sonderheft der PIRSCH, „REHE“,

Herausgeber: Deutscher Landwirtschaftsverlag, München (www.dlv.de).